"In allernächster Nähe des alten Hausberger (ev.) Friedhofs befindet sich der Friedhof der jüdischen Gemeinde. Hier befinden sich die Gräber in bester Ordnung. In einer Kapelle werden Urnen wohl geordnet und untergebracht. Sie sind mit Namen der Toten geziert."
So zitiert K.-W. Röhs einen Zeitungsbericht aus dem Jahr 1930. Nur drei Jahre später sollte sich der Blick der neuen Machthaber auf jüdische Friedhöfe und jüdisches Leben insgesamt ändern. Gemäß ihrer wahnwitzigen Rassenideologie galten jüdische Friedhöfe jetzt als "Fremdkörper im deutschen Landschaftsraum". Und um "eine Verschandelung der deutschen Heimat zu unterbinden", sollten 1939 die Judenfriedhöfe "aufgelöst und eingeebnet werden". Zum Glück ist dieses absurde Vorhaben hier und sonst auch vielerorts nicht realisiert worden.
Das Projekt: DER JÜDISCHE FRIEDHOF IM EPIDAT
Das Steinheim-Institut hat nicht nur die erstellten Fotos und die hebräischen Inschriften aller 144 Grabsteine in der Datenbank erfasst, sondern auch eine Resumée aus unserer gemeinsamen Arbeit gezogen. Hier die Zusammenfassung von Frau Anna Martin, der Projektpartnerin für unsere Schul-AG "JFH":
"Der Friedhof in Hausberge teilt sich in zwei Bereiche auf, der rechte und deutlich kleinere Teil wurde von der jüdischen Gemeinde in Hausberge genutzt, der linke wesentlich größere Teil von der Mindener Gemeinde. Der älteste Grabstein auf dem Hausberger Teil stammt aus dem Jahr 1797, er wurde Anschel genannt Ascher gesetzt, der Sohn des Sanvel genannt Samuel war. Der Grabstein ist rein hebräisch beschriftet. Die ersten deutsche Inschriften tauchen erst um 1800 in Berlin auf und verbreiten sich von dort aus langsam weiter. Zunächst werden sie noch in hebräischen Lettern geschrieben, dann auch in lateinischen Buchstaben. Der erste rein deutsch beschriftete Grabstein auf dem Hausberger Teil stammt aus dem Jahr 1868. Er wurde dem Knaben Max Michelsohn gesetzt und es ist häufig zu sehen, dass derartige Neuerungen zuerst auf Kindergrabsteinen auftauchen.
Insgesamt sind auf dem Hausberger Teil wenig Symbole zu finden, allerdings befindet sich hier auf dem Grabstein des Nathan Weinberg aus dem Jahr 1921 der einzige Davidstern des gesamten Friedhofs. Der Davidstern war schon im antiken Judentum als dekoratives Element bekannt, doch erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt er sich zu einem Symbol des Judentums und spätestens nach dem ersten Weltkrieg ist er vermehrt auf Grabsteinen zu finden. Das auffälligste Symbol auf dem Hausberger Teil ist ein Dreieck in einem Strahlenkranz, dieses wird oft auch mit einem Auge dargestellt wie es auch auf dem Mindener Teil zu finden ist, auf dem Grabstein der 1876 verstorbenen Johanna Mendel Joel. Dieses Symbol wird auch als das sehende Auge bezeichnet und gilt als Symbol für die Allgegenwart Gottes und als Symbol der Aufklärung. Auf dem Grabstein des Herz Altschüler aus dem Jahr 1860 findet sich ein Schmetterling mit Kokon, dieses nicht-jüdische Symbol ist seit der Antike unter anderem ein Symbol für die Unsterblichkeit bzw. für die Auferstehung und die Metamorphose der Seele. Ansonsten finden sich einzelne florale Ornamente auf den Grabsteinen des Hausberger Teils.
Der älteste Grabstein auf dem Mindener Teil stammt aus dem Jahr 1720 und wurde Fradel, Tochter des Bendit und Ehefrau des Feiwesch gesetzt. Der erste rein deutsch beschriftete Grabstein ist der des 1858 verstorbenen Leeser Jacobi. Sein Grabstein und der seiner ein Jahr nach ihm verstorbenen Gattin Julie Jacobi geb. Abel sind die ersten rein deutsch beschrifteten Grabsteine des Friedhofs. Es sind prozentual gesehen deutlich weniger Grabsteine rein deutsch beschriftet, allerdings fand die letzte Bestattung auf dem Mindener Teil auch schon 1907 statt, während auf dem Hausberger Teil noch bis weit in die 1930er Jahre bestattet wurde. Das häufigste Symbol auf dem Mindener Teil ist die geflügelte Sanduhr. Dieses Symbol ist auch auf christlichen Grabsteinen zu finden und steht für die verrinnende Lebenszeit und die Vergänglichkeit des Lebens. Ein jüdisches Symbol, das in sehr detaillierter Form auf mehreren Grabsteinen auftritt, ist die Levitenkanne. Sie ziert beispielsweise den Grabstein des Levi Heinemann aus dem Jahr 1884. Die Levitenkanne gehört zu den Abstammungssymbolen, sie weist auf levitische Abkunft hin. Die Leviten waren im Tempel unter anderem für die kultische Reinheit zuständig und wuschen den Priestern die Hände. Dafür steht auf den Grabsteinen das Symbol der Kanne. Diese findet sich in den verschiedensten Formen, als bauchige Waschkrüge, meist mit Untersatz, oder hohe schlanke Gießgefäße, oft von zeitgenössischen Gieß- und Waschgefäßen beeinflusst. Eine Besonderheit auf dem jüdischen Friedhof in Hausberge ist die Darstellung einer Levitenkanne auf dem Grabstein einer Frau, der 1827 verstorbenen Therese Wolfers geb. Seckel. Levitenkannen sind in der Regel nur auf Grabsteinen von Männern zu finden, da die Zugehörigkeit über die männliche Linie vererbt wird. Weit verbreitet sind auf dem Mindener Teil florale Ornamente und gestalterische Verzierungen wie beispielsweise Sterne.